Der Bierkrieg zwischen Grimma und Nerchau von 1537-1575
(Nerchau gewann den Prozess gegen Grimma)
Um es vornweg zu nehmen, es ist in diesem Krieg nicht mit Waffen gekämpft worden, sondern mit Tinte, Schreibfedern und Papier. Es kam dabei zu Siegen und Niederlagen in Form von Verträgen, die von den eigensinnigen Nerchauern nie eingehalten wurden. Der Grund zum „Krieg“ war das Bier, das in beiden Orten gebraut, getrunken und nach auswärts verkauft wurde.
Im Mittelalter standen den Städten – gegenüber den kleineren Ortschaften und Dörfern – allerlei besondere Rechte (Privilegien) zu. Die Stadt Grimma besaß neben anderen auch ein Privilegium, das sich auf das Bierbrauen bezog.
Inhaltlich besagte es ungefähr folgendes:
- Alle innerhalb der Bannmeile (Biermeile) liegenden Ortschaften durften in der Zeit vom 8.September des einen bis zum 24.Juni des anderen Jahres ihr Bier nur in Grimma kaufen und von dort beziehen. In der Zeit vom 25.Juni bis 7.September jeden Jahres war es ihnen gestattet, Bier auch “anderwärtsher“ zu beziehen und zu verschenken. (d. h. zu verkaufen)
- Der Rat der Stadt Grimma hatte jederzeit das Recht, das Einbringen fremden Bieres in die Stadt und in die Biermeile zu verbieten.
- Einigen alten „Erbkretzschmarn“ (Gasthöfe mit Brauerei), die innerhalb der Grimmaer Biermeile lagen, war es gestattet, während der Zeit, wo in Grimma gebraut wurde, selbst zu brauen. Die Menge des Bieres durfte aber nicht die der Stadt Grimma überschreiten. Weiterhin war ihnen gestattet, das Bier nur zu „verzapfen“ (glas-und kannerıweise zu verkaufen), nicht aber „auszuschroten“ (fass- und fuhrenweise zu verkaufen). Allen anderen Schankstätten innerhalb der Biermeile war jegliches Brauen verboten.
Viele Beschwerden aus dem I6. Jahrhundert berichten, dass das Privilegium der Stadt Grimma vielfach nicht beachtet wurde. Die Beschwerden gelangten bis zum Kurfürsten und bis zum Landtag. Die Nichtbeachtung des Privilegiums seitens der Ortschaften in der Biermeile hatte zumeist seinen Grurıd in der besseren Qualität anderen Bieres, vielleicht war es auch eine Preisfrage.
Nerchau, das innerhalb der Grimmaer Biermeile lag, besaß damals schon eine Brauerei und hatte das Recht, Bier zu brauen. Es durfte aber nach dem Grimmaer Privilegium nur „verzapft“, das heißt glas- und kannenweise verkauft werden. Die Nerchauer richteten sich kaum danach. Sie verkauften ihr Bier faß- und fuhrenweise in Ortschaften der Grimmaer Biermeile. Ilır „Pumpernickel“, so nannten sie ihr Bier wurden sie wegen seines Wohlgeschmacks und seiner Bekömmlichkeit reißend los. Die Stadt berief sich wiederholt Nerchau gegenüber auf ihre verbrieften Rechte, und es kam zu einem Streit, dem „Bierkrieg“, zwischen beiden Orten, der fast 40 Jahre anhielt. Es fanden wiederholt Verhandlungen statt, die ein Ritter von Minkwitz führte, der damals auf Schloss Trebsen saß. Am 7.Dezember 1537 kam es auf gütlichem Wege zu einem Vertrag, wonach Nerchau weiterhin brauen und das Bier verkaufen durfte, aber nur glas- und kannenweise. Die Nerchauer unterschrieben, hielten sich aber nicht an den Vertrag und verkauften weiterhin munter ihr „Pumpernickel“ in der bisherigen Weise in die Grimmaer Biermeile.
Jetzt zogen die Grimmaer andere Seiten auf. Der Rat der Stadt Grimma ließ als Gegenmaßnahme bei den Nerchauern einige Stück Vieh pfänden. Das verschnupfte Nerchau ganz gewaltig. Sie erhoben Klage beim Oberhofgericht. Der Prozess dauerte mehrere Jahre und lief zum Nachteil der Stadt Grimma aus. Am 28.Februar 1553 kam es vor den „Kurfürstlichen Commissarien“ zu einem Vergleich, wonach es den Nerchauern gestattet wurde, jährlich 10 Fass Bier an Orte in der Grimmaer Biermeile zu verkaufen.
Die Nerchauer hätten nun eigentlich zufrieden sein können. Sie waren es aber nicht, wollten sich nicht beugen und brachen auch diesen Vertrag, indem sie weiterhin wie gewohnt ihr Bier verkauften, wohin und wieviel sie wollten. Der Rat der Stadt Grimma suchte nun zunächst bei dem Amtmann von Ponickau, der in Grimma seinen Sitz hatte, und nach dessen vergeblichen Bemühungen bei dem Kurfürsten um Schutz.
Im Jahre 1569 erhielt von Ponickau vom Kurfürsten den Auftrag, „als Commissar die Sache zu vertragen“ (zu ordnen). Am 27 .September 1569 wurde der Vertrag vom 28.Februar 1553 erneuert und ihm ein Verzeichnis der in der Biermeile gelegenen Orte beigegeben. Die Nerchauer hatten bisher als Entschuldigungsgründe vorgegeben, die Orte nicht genau zu kennen . Dieser Ausrede wurde nun ein Riegel vorgeschoben. Der Vertrag befindet sich im Ratsarchiv zu Grimma . Aber auch er wurde von den widerspenstigen Nerchauern nicht gehalten. Grimma beschwerte sich wieder. Die kurfürstliche Regierung schlug den Parteien einen neuen Vertrag vor. Nerchau lehnte ab. Jetzt hatte es die Regierung satt. Durch ein kurfürstliches “Rescript“ (Verfügung) wurde die Stadt Grimma auf den Rechtsweg verwiesen, d.h. gerichtlich vorzugehen.
Der Rat fand es jedoch bedenklich, den Weg zu gehen und ließ seitdem den Nerchauern ihr Bier nach gefallen „ausschroten“(verkaufen) faß-u. fuhrenweíse). Die Nerchauer hatten erreicht, was sie wollten.
Nachtrag:
Seit 2011 gibt es wieder eine Brauerei in Nerchau. Sie wird vom „Schlossherrn“ des Schlosses Trebsen betrieben (was für ein Zufall!). Neben einer Reihe von Biersorten wird auch das „Nerchauer Pumpernickel“ wieder gebraut.
Im gleichen Jahr (2011) wurde Nerchau nach Grimma eingemeindet und ist nun ein Ortsteil von Grimma.
Nerchauer Bier wird zwar überall im Leipziger Raum angeboten, aber auf Stadtfesten und Veranstaltungen der Stadt Grimma gibt es keinen Ausschank. Ob das wohl die späte „Rache“ der Grimmaer ist?