Nerchauer Hundepost

Aus dem Leben des Nerchauer Postkuriers  Anton Malke

Vorläufer des Postdienstes der Muldentalbahn

Bei der Vorbereitung der neuen Ausstellung zur Postgeschichte Nerchaus im Heimathaus fanden wir einen Zeitungsartikel über Anton Malke,  den Nachtwächter, Postkurier und späteren Kirchendiener. Mit ihm verbindet sich ein Stück Grimmaer Heimatgeschichte.

Anton Malke war mit seinem Hundegespann eine typische Erscheinung im Straßenbild der 1880er Jahre. Er bewohnte mit seinem Nachtwächterkollegen Grünberg in Grimma das „Nachtwächterhaus“ in der Töpfergasse. Der Wachdienst begann abends 10 Uhr. Er dauerte im Sommer bis 3 Uhr, im Winter bis 5 Uhr früh – Antons „Nachtruhe“ war also nur kurz. Nach 7 Uhr war er schon wieder auf den Beinen. Da begann sein Tagesdienst als Postkurier.

Mehrmals in der Woche beförderte er Postsendungen aller Art von Grimma nach Nerchau und umgekehrt. Sein Hund war in Hundekreisen wegen seiner Bissigkeit gefürchtet. Er besaß den seltenen, gar nicht für ihn passenden Namen „Donau“ und war eine Abart von Schäferhund mit Schlappohren. Anton spannte ihn vor den Kastenwagen mit der sinnreichen Handbremse. Dann ratterten sie los zum Posthof, der sich damals (vor dem Bau des Postamtes in der Leipziger Straße) an der Ecke von Badergasse und Lorenzstraße befand.

Den handfesten Eichenstock trug Anton immer bei sich. Nach 8 Uhr begann die Fahrt mit der wertvollen Postladung nach Nerchau. Wenn viel Postgeld dabei war, nahm Anton vorsichtshalber den „kleinen PilIe“ mit. So nannte er Max Pille, seinen Freund in den besten Mannesjahren, den er um Kopfgröße überragte.

Mit seiner “bissigen Donau“ hatte Anton allerdings seine liebe Not. Jedes entgegenkommende Hundegespann der Butterfrauen von den Dörfern, die zum Grimmaer Wochenmarkt fuhren, ging „Donau“ mit wütendem Gekläff an. Er war nur mit äußerster Kraftaufbietung zu bändigen. Einmal konnte Anton aber doch nicht mehr verhindern, dass er einem anderen Zughund auf der Muldenbrücke die Kehle durchbiß. Er ließ ihn daraufhin erschießen und legte sich einen sittsameren Hund zu, den er „Rino“ nannte.

Die Nerchauer wussten die zuverlässige Hundepostverbindung zu schätzen. Sie trugen dem  gutmütigen Anton allerlei „Nebenbesorgungen“ auf. Er hatte u. a. öfters Messer und Scheren zum Schleifen nach Grimma mitzunehmen. Das „Standquartier“ in Nerchau war das Gasthaus „Zur Sonne“. Da wurde auf eigene Kosten gut gefrühstückt, wozu ein kräftiger Morgentrunk gehörte. Unterwegs kehrte man grundsätzlich nicht ein. Nachmittags gegen 3 Uhr ging es nach Grimma zurück.

Anton Malke war Vater von acht Kindern. Oft begleiteten ihn die beiden ältesten Buben Emil und Anton auf den Fahrten nach Nerchau.

„Anton junior“ wurde 1877 in Döhlen bei Rochwitz geboren. Er lernte Schuhmacher und war später in der Papierfabrik Pauschwitz tätig. Vor der Berufung in den Kirchendienst als Kirchendiener und Totenbettmeister von Nerchau war er Farbmüller bei den Nerchauer Farbenwerken.

Die Fahrten mit der väterlichen Hundepost machten ihm viel Spaß. Einmal hielten sie in Nerchau in der Fabrikstraße an. Neugierig schaute „Anton junior“ in die dort gelagerten Fässer der Farbenwerke. Dabei konnte er sich von der Güte und Haltbarkeit Nerchauer Anilinfarben überzeugen. Er war plötzlich ein „grüner Junge“ geworden. Mitleidig warf ihm die Portiersfrau ein Stück Seife zum Fenster herunter. Das steckte er in die Hosentasche für die Waschprozedur in der „Sonne“. Sie war aber erfolglos. ln Grünfärbung musste er die Heimfahrt nach Grimma antreten. Den Schmorditzer Berg hinunter schwang sich auch Vater Anton mit auf den Wagen, nahm die Deichsel zwischen die Beine und steuerte den Wagen in flotter Fahrt den Berg hinab. Der Zughund blieb im Geschirr und hatte tüchtig zu tun, um „Schritt zu halten“.

lnzwischen war in Grimma der Postillon mit dem Blechhut und der langen Feder drauf von seiner Postfahrt mit der gelben Postkutsche aus Bad Lausick zurückgekehrt. Durchs Leipziger Tor am Wallgraben, der damals noch ein richtiger Wallgraben war, durch den die Abwässer geleitet wurden, rollte der Postillon ins Städtchen ein. Kurz vor dem Postgebäude stieß er nach einer den Grimmaern wohlbekannten Melodie ins Posthorn. Dann öffnete sich jedes Mal wie von Zauberhand das Posttor und ohne Aufenthalt fuhr der Postillon, stolz wie ein König, in den Posthof hinein.

Nach der Übernahme der Postbeförderung von und nach Nerchau durch die Muldentalbahn hörte Vater Antons Hundepost auf zu bestehen.

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